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Schützengesellschaft "Waldfriedensee" Wildenheid
96465 Neustadt bei Coburg, Stadtteil Wildenheid, Breslauer Str. 8

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Zitat aus der Festrede:

"Vielleicht mag manch ein Außenstehender eine Mitgliedschaft in einer Schützengesellschaft lediglich als einfache Möglichkeit zu legalem Waffenerwerb sehen. Wer dies meint, irrt! 'Ballermänner' sind bei uns an der falschen Adresse."

 

Rede auf dem Festkommers zum 75jährigen Jubiläum

Festrede zum 75jährigen Vereinsjubiläum, verfasst und vorgetragen von Horst Engel auf dem Festkommers am 10. Juni 2000.
 
Verehrte Festversammlung, liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder,
 
wir feiern hier und heute zu Ehren eines rüstigen Jubilars - unserer Schützengesellschaft "Waldfriedensee" Wildenheid. 75 Jahre sind für einen Menschen ein stolzes Alter,- für eine Schützengesellschaft bezogen auf die mehrhundertjährige Tradition unseres Schützenwesens jedoch ein recht kurzer Abschnitt. Ereignisse der Geschichte haben immer wieder auch das Schützenwesen geformt und verändert, bis es sich schließlich in der Form als "Modernes Schützenwesen", wie wir es heute kennen gebildet hat. Wenn ich nun hier und heute über das Selbstverständnis des "Modernen Schützenwesens" spreche, ist es wichtig sich zunächst mit dem Begriff "Modernes Schützenwesen" vertraut zu machen.

Die Wurzeln des "Modernen Schützenwesens" liegen, wie vieles für unsere Geschichte Bedeutsame, im Revolutionsjahr 1848. Und wie bei so manchem davon, gingen letztendlich die entscheidenden Schritte vom Boden des damaligen Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha und dem damals regierenden Herzog Ernst II aus.

Der Ruf nach Wiederbelebung des Schützenwesens kam von verschiedenen Seiten. Auch waren die Beweggründe hierfür recht unterschiedlich. Jedoch stand damals bei allen Bemühungen "schützen" im Sinne von "militärischen schützen" noch an vorderer Stelle. Dies ist durch die in jenen Jahren politisch unsichere Lage Deutschlands begründet. Militärische Auseinandersetzung gehörten damals noch zum Mittel der Politik; eine Ansicht die heute zivilisierte Staaten und Gesellschaften endlich überwunden haben. Herzog Ernst II führte die Fäden im Hintergrund und stellte sich voll hinter die Bestrebungen das Schützenwesen neu aufzubauen. Er selbst hatte seit seiner Jugend Kontakte zu den Gothaer Schützen und nahm so auch 1859 mit seinem Bruder, Prinzgemahl Albert, am Gothaer Schützenfest teil. Schützenkönig wurde übrigens Prinz Albert. Ob er wirklich ein so guter Schütze war, oder die anderen nicht wagten besser zu treffen, ist nicht bezeugt.

Die Gründung des "Deutschen Schützenbundes" erfolgte schließlich unter maßgeblicher Mitwirkung von Herzog Ernst II im Jahre 1861 in Gotha.  Diese Gründung des Schützenbundes ist entscheidend dafür, dass für den Schießbetrieb landesweit einheitliche Regeln erarbeitet werden konnten. So ist eine Wettkampfstruktur, wie wir sie heute kennen, überhaupt erst möglich geworden. In Folge des Deutschen Schützenbundes entstanden nun auch regionale Verbände, die die Grundlage dafür waren, dass sich das Schützenwesen auch in der Fläche ausdehnen konnte. Gab es früher Schützengesellschaften meist nur in Städten, so bildeten sich jetzt in großer Zahl auch Vereine in den Dörfern. Uns so schwappte die Gründungswelle im Jahre 1925 schließlich auch nach Wildenheid.


Die Stadthalle in Gotha, der Gründungsort des "Deutschen Schützenbundes".

Das Schicksal der Schützen ist und war immer mit der Zeitgeschichte verbunden. Einschnitte wie die Weltkriege und die NS-Zeit bildeten auch Einschnitte für die Schützen. Heraus greifen möchte ich hier kurz die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Bedingt durch die Teilung unseres Vaterlandes mussten auch die Schützen in West und Ost unterschiedliche Wege gehen. Nachdem der damalige Bundespräsident Theodor Heuss im November 1951 in Köln den Deutschen Schützenbund wieder proklamiert hatte, konnten sich, nachdem seitens der Allliierten dazu die Genehmigung vorlag, in Westdeutschland die Vereine wieder neu gründen. So fanden sich auch in Wildenheid wieder unentwegte zusammen, die die "Waldfriedenseeschützen" schon 1950 wieder neu belebten. Das Vereinsleben kam rasch wieder in Fahrt. Wettkämpfe wurden erfolgreich bestritten - ich erinnere hier an die hervorragenden Ergebnisse der Jugendmannschaft 1972 - und die Kontakte der Vereine wuchsen wieder untereinander. So wurde im Jahre 1960 die Patenschaft mit dem Schützenverein "Steinachtal Hassenberg" besiegelt.

Völlig anders war es im Osten Deutschlands. Schützenvereine im traditionellen Sinn passten nicht in das gesellschaftspolitische Bild der Machthaber. Sportschießen war zwar möglich, jedoch nur im Rahmen entsprechender staatlicher Organisationen. Nachdem mit der Wende 1991 den Bürgern Ostdeutschlands wieder das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit gewährt wurde, konnten auch dort Schützenvereine im traditionellen Sinn wieder entstehen. Hierbei waren wir Waldfriedenseeschützen auf Grund unserer Lage unmittelbar an der ehemaligen Grenze besonders gefordert, unseren Anteil mit einzubringen. So zögerten Wildenheider Schützen nicht, dem wieder entstandenen Schützenverein Schichtshöhn mit Rat und Tat beizustehen und beim Aufbau mitzuhelfen. Die dadurch gewachsene Freundschaft führte schließlich zur Patenschaft, die 1993 besiegelt wurde.

Wildenheider und Schichtshöhner Schützen haben somit ihren guten Beitrag dazu geleistet, dass "das zusammenwächst, was zusammengehört". Für diese wichtige gesellschaftspolitische Leistung sei den daran Beteiligten beider Vereine an dieser Stelle ausdrücklich Dank gesagt!

Bisher habe ich nur von Schützen gesprochen,- nicht jedoch von Schützinnen. Die Schützengesellschaften waren ursprünglich reine Männervereinigungen. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass Schützen im ursprünglichen Sinne ja eine militärische Aufgabe hatten. Nachdem sich nun aber im Laufe der Zeit das Schießen weg von militärischer Vorbereitung hin zum Sportschießen verlagert hatte, gab es auch länger keinen Grund mehr die Damen auszuschließen. So nimmt auch unsere Schützengesellschaft seit etlichen Jahrzehnten weibliche Mitglieder auf; und im Jahre 1980 hatten wir dann auch erstmals eine Schützenkönigin. Unsere Schützenschwestern sind heute nicht mehr aus dem Vereinsleben wegzudenken. Gerade auch bei den Wettkämpfen stehen sie erfolgreich ihren "Mann".

Die Anerkennung des Schießens als Sportart erfolgte praktisch dadurch, dass schon bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit in Athen das Sportschießen mit auf dem Programm stand. Und so haben sich bis heute eine Reihe von Schießdisziplinen als olympische Sportarten etabliert. Unsere Schützenvereine stehen daher heute auf zwei Säulen: Zum einen sind sie Traditionsvereine und zum anderen Sportvereine. Beide Säulen sind gleichermaßen für uns wichtig. Ein Schützenverein braucht seine Traditionen um sein Selbstverständnis zu wahren;- und er braucht den Schießsport um seine Daseinsberechtigung zu wahren. Es sind gerade diese beiden Säulen, die das Vereinsleben bei den Schützen interessant gestalten. Auch bieten sie dem Einzelnen die Möglichkeit seine Aktivitäten im Verein für sich persönlich zu wichten. Wir brauchen die erfolgreichen Sportschützen ebenso wie diejenigen, die beim Schützenfest kräftig mit anpacken. Aus dem Nebeneinander von Tradition und Sport ergibt sich ein Spannungsfeld, dass den Verein lebendig macht.

Und hier entsteht auch das Problem, dass im Bild der Öffentlichkeit oft ein Zerrbild entsteht. Schießen ist nun einmal kein öffentlichkeitswirksamer Sport, der die Massen in die Stadien zieht. Vielmehr spielen sich unsere sportlichen Aktivitäten weitgehend unter uns abgeschirmt in den Schießständen der Schützenhäuser ab. So werden oft nur unsere Schützenfeste öffentlich wahrgenommen. Dies wird von bestimmter Seite hin und wieder zum Anlass genommen uns dahingehend zu verunglimpfen, dass für uns angeblich das Maßkrugstemmen an erster Stelle stehe. Mit derartigen Anfeindungen müssen sich nach meiner Beobachtung anscheinend alle Vereinigungen, die die Pflege traditioneller Werte als ihre Aufgabe sehen, auseinandersetzen. Die Schützenfeste nehmen jedoch im Vergleich zu den sportlichen Aktivitäten, wie Training, Rundenwettkämpfe und Hauptschießen in Wirklichkeit nur einen recht kleinen Teil unseres Vereinslebens in Anspruch.

Das Schützenfest selbst ist für uns der Höhepunkt im Vereinsjahr. Wir feiern das Fest um unseren Mitmenschen Entspannung zu bieten und einen Farbtupfer im sonst grauen Alltagsleben zu setzen. Und wir feiern es zu Ehren des Schützenkönigs, eine Tradition, die ihre Wurzeln in den Anfängen des Schützengeschichte hat. Natürlich hat sich auch im Laufe der Jahrhunderte die Bedeutung des Schützenkönigs verändert. Wenn man in den alten Chroniken liest, dass dem Schützenkönig in jenen Zeiten mancherorts ein Jahr lang Freibier gewährt wurde, oder er ein Jahr lang von der Zahlung von Steuern befreit war, so mag sich so manch ein Schützenkönig gerne in diese Zeiten zurückversetzt sehen.

Doch zurück zum Sport: Wodurch unterscheidet sich das Schießen von anderen Sportarten? Schießsport ist praktisch ganzjährig möglich, da die meisten Disziplinen in geschlossenen Ständen ausgetragen werden können. Auch gibt es für die aktive Ausübung fast keine Altersbeschränkung. Lediglich das Mindestalter ist auf zwölf Jahre gesetzlich beschränkt. Uns so sind wir auch schon beim bedeutendsten Unterschied: Schießen ist die einzige Sportart, deren Ausüben in weiten Bereichen gesetzlichen Regelungen unterworfen ist. Das liegt sicher nicht daran, dass die Ausübung dieses Sportes besonderes gefährlich ist. - Boxen oder ein Ski-Abfahrtslauf können da weitaus gefährlicher für den Ausübenden sein. Vielmehr ist der Grund darin zu suchen, dass unsere Sportgeräte, wenn sie unsachgemäß oder gar missbräuchlich gehandhabt werden, gefährlich sind. Gerade hier sind unsere Vereine gefordert, einen verantwortungsvollen Umgang mit Waffen anzuerziehen.

Vielleicht mag manch ein Außenstehender eine Mitgliedschaft in einer Schützengesellschaft lediglich als einfache Möglichkeit zu legalem Waffenerwerb sehen. Wer dies meint, irrt! "Ballermänner" sind bei uns an der falschen Adresse. Und wir trennen hier auch rasch die Spreu vom Weizen.

Wie ich aufgezeigt habe sind Tradition und Sport bei uns besonders eng miteinander verzahnt. Doch was ist nun noch von unserer ursprünglichen Bedeutung als Schützen im Sinne von Schutz bieten vor äußerer Bedrohung und Gefahr geblieben? Schutz findet der Bürger heute dadurch, dass er in einer freiheitlichen Rechtsordnung lebt. Daraus ergibt sich für uns Schützen unsere geschichtliche Verpflichtung diese Rechtsordnung zu erhalten. Wir sind daher aufgerufen uns aktiv an der Entwicklung unserer Gesellschaft, unseres Staates, zu beteiligen. Wer im Verein gelernt hat Verantwortung zu übernehmen, dem fällt es auch leichter Verantwortung in Staat und Gesellschaft zu übernehmen, also sozial verantwortlich zu handeln. Ein funktionierendes Vereinsleben führt also letztendlich zu einem funktionierenden sozialen Gemeinwesen. Auf den Punkt gebracht heißt das: Unser Volk braucht mehr aktive "Vereinsmeier" und weniger selbstgefällige Besserwisser.

Lassen Sie mich nun abschließend einige Gedanken für unsere Zukunft als Schützenverein beziehungsweise als Schützengesellschaft anprechen. Wir müssen - so meine ich - unsere zweite Säule, den Schießsport, in der Öffentlichkeit besser bekannt machen. Hierzu ist es unumgänglich erforderlich eine bessere Öffentlichkeitsarbeit zu gestalten. Schlägt man heute eine Tageszeitung am Montag auf, gibt es viel über Fußball zu lesen, aber wenig - oder meist nichts - über Schießsportwettkämpfe. Das liegt nicht an den Zeitungen, sondern an uns selbst. Die Sportredaktionen sind gerne bereit mehr und umfassender zu berichten, jedoch müssen wir entsprechende Informationen zu Verfügung stellen. Wünschenswert wäre es daher auf Gau-Ebene dies besser zu koordinieren. Auch hier sind die Wettkampfleiter gefordert, Termine und Ereignisse bekannt zu machen.

Einen weiteren Weg sehe ich darin, den Schießsport auch dem Zuschauer zu öffnen. Gerade durch neue technische Möglichkeiten, wie die Übertragung der Schießscheiben über Monitore, so dass die einzelnen Treffer auch für die Zuschauer sichtbar werden, ist dies durchführbar. Wie so etwas in der Praxis aussieht, konnten wir vor einiger Zeit beim Bundesliga-Aufstiegswettkampf in Bad Rodach miterleben. Da kam zeitweise richtig tolle Stadionatmosphäre auf! Und so ist es sicher möglich, dass in der Zukunft eines Tags einmal zum Beispiel die Stadtmeisterschaft der Schützen in Neustadt auf diese Art und Weise in der Frankenhalle durchgeführt werden könnte.

Wichtig ist es auch auf die Jugendarbeit ein Hauptagenmerk zu legen. Hierbei ist jeder Einzelne gefordert der Jugend vorzuleben, welche Begeisterung die Aktivität im Schützenverein und die Arbeit für den Verein dem Einzelnen bringt. Diese Begeisterung muss von selbst kommen, so dass jeder erkennt, dass es sich lohnt in der Schützengesellschaft aktiv zu ein. Dies ist ein Punkt, der nicht nur für uns Schützen allein, sondern sicher auch für alle Vereine, gleich welcher Art, gilt.

Auch in Zukunft werden wir immer abhängig von den Entwicklungen in unserem Umfeld sein. Gerade in der zunehmenden Vereinzelung des Menschen in unsererer sogenannten "Informationsgesellschaft" sehen wir unsere Aufgabe darin, das Miteinander unter den Mitmenschen zu fördern und ein Wir-Gefühl zu schaffen. Wenn uns dies gelingt, muss es um unsere Zukunft nicht bange sein, so dass wir "Waldfriedensee-Schützen" noch so manches Jubelfest werden feiern können. Uns so schließe ich mit dem Wunsch:

Auf ein Wachsen, Blühen und Gedeihen unserer Schützengesellschaft "Waldfriedensee" Wildenheid!